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Die Rückkehr - 2. Teil


"Sire1 Üsakür, Sire Üsakür!" Wer ruft mich da zu so früher Stunde, dachte ich noch so bei mir, bis es mir wieder in den Sinn kam. Heute ist der große Tag, endlich werde ich die anderen Kristalle finden.
Geschwind zog ich mich an und ging zu dem Jungen, der vor der Tür schon auf mich wartete. "Du bist sehr früh, Arikano," sagte ich zu ihm, "hat dein Vater dich bemerkt?"
"Mein Vater hat gestern eine ganze Flasche Scadi geleert, den weckt so bald nichts mehr. Deshalb bin ich ja auch so früh da, Sire Üsakür." Scadi, dieser caswallonische Fusel war hier überall zu finden. Wie konnte man so etwas nur trinken. Es wird noch lange dauern, bis dieses Land wirklich qunisch wird.

Nach ca. drei Stunden Fußmarsch der Küste entlang erreichten wir die Ruine, die seit der Zeit der Finsternis kein Mensch mehr betreten hatte. Bis auf meinen Begleiter, der es einfach versuchte. Aber Arikano hatte mir schon vorher gesagt, er würde mich zur Ruine führen, aber sicherlich nie wieder ein Fuß dort hinein setzen. Die Gerüchte wären wahr, erzählte er mir auf dem Weg hierher, es wären immer noch Wesen der Finsternis dort drinnen. Auf meine Frage, wie er darauf käme, gab er mir keine Antwort. So gab ich ihm seinen versprochenen Lohn, drehte mich um und ging auf die Ruine zu.
Die Sonne ging gerade auf, aber das Gemäuer begann leider nicht, einladender zu wirken. Göröm, du wirst dir doch jetzt nicht von irgend welchen Fischermärchen Angst einjagen lassen? Meine Hand griff nach dem Kilitsch2. Ich schallt mich einen Narren und ging weiter.
Oberirdisch war von den Mauern nicht viel übrig geblieben. Das Dach gab inzwischen einen wundervollen Blick gen Himmel frei, die Mauern standen nur noch bis zu einer Höhe von zwei bis drei Metern. Im Zentrum der Anlage befand sich eine Treppe, die nach unten führte. Sie sah überraschend gut erhalten aus. Da sich oben offenbar nichts finden ließ, begann ich hinab zu steigen.
Die Treppe windete sich mehrere Meter in den Boden. Ich zückte einen Kristall, um für Licht zu sorgen. Die Wände machten leider keinen sicheren Eindruck, wahrscheinlich würde ich der letzte sein, der diesen Keller betreten würde. Hoffentlich würde ich ihn auch wieder verlassen können.
Plötzlich ein schriller Schrei, etwas berührte mich am Nacken. Schon war mein Kilitsch in meiner Hand. Ich fuhr herum, traf aber nur auf einen Stein. Meine Waffe brach entzwei. Die Wand auch. Schnell zwängte ich mich in das enger werdende Treppenhaus hinab, um dem Steinregen von oben auszuweichen. Dabei verlor ich meinen Lichtkristall. Als ich einen Zugang zu einem Raum verspürte, verließ ich die Treppe. Hinter mir brach alles zusammen.
Ich spürte Zorn in mir aufkommen, Zorn über meine Dummheit. Da lag ich nun, etwa acht Meter unter der Erde, in absoluter Finsternis ohne eigenes Licht, mit einem abgebrochenen Kilitsch und über mir eine Burgruine vor der sich jeder Einheimische fürchtete.
Aber ich hatte noch den Kristall bei mir, wegen dem ich hier war. Mit etwas Geduld könnte ich ihn zu einem Lichtkristall umformen. Aber dann wäre die ganze Reise umsonst gewesen. Vielleicht könnte ich mit seiner Hilfe die anderen Kristalle finden. Die Wahrscheinlichkeit war gering, aber besser als nichts. Vor der Dunkelheit hatte ich keine Angst. Was sollte mir noch passieren? Wenn mich jetzt irgend ein Ungeheuer fressen würde, bräuchte ich wenigstens nicht mehr so lange um mein Überleben kämpfen. Denn aufgeben würde ich erst, wenn es wirklich vorbei wäre.
Aber plötzlich war da wieder dieser Schrei und mein ganzes Selbstbewußtsein war wieder dahin. Diesmal kam es von vorne, ich spürte einen Luftstrom und dann war etwas in meinem Gesicht. Ich packte zwei Flügel und zog daran. Nun wußte ich, was mich da angriff: eine Phyra3. Mit dem Rest meiner Klinge erlegte ich dieses Biest. Ein letztes Quieken sagte mir, daß es vorbei war.
Erleichtert schaute ich auf und erblickte ein Augenpaar. Ein Knurren nahm mir jeden Zweifel. Es war noch nicht vorbei. Nicht auch noch ein Shartack4. Langsam zog ich mich von ihm zurück. Das Knurren wurde lauter. Der Shartack begann sich aufzurichten. Ich konnte nur das Augenpaar sehen, das Knurren hören und den entsetzlichen Gestank seines Atems vernehmen. Zum Glück schien es ein kleines Tier zu sein, da das Augenpaar mich nur um wenige Zentimeter überragte. Ein Treffer an der Kehle war wohl meine einzige Chance.
Während ich zurückwich konzentrierte ich mich auf meine Magie, ich versuchte ein Energiemuster zu weben, welches dieses Tier an einer Stelle binden würde. Das Muster entstand vor meinem geistigen Auge. Es war ein feines Gespinst aus purer Energie. Langsam ließ ich dieses Netzt über den Shartack gleiten. Das Tier nahm wahr, was ich versuchte und begann sich zu wehren. Aber ich war schon zu nah. Schnell ließ ich das Netz den Shartack umfließen, spürte die Silhouette seines Körpers, ertastete mit meinen geistigen Fingern den Hals - und schlug zu.
Der Rest meines Kilitsch verkantete sich im Halse des Shartack. Das Tier versetzte mir einen Hieb mit seinen Pranken, denn zu diesem Angriff mußte ich mein Energienetz fallen lassen. Der Hieb schleuderte mich zurück gegen die Wand ...

Unter heftigsten Kopfschmerzen erwachte ich wieder. Der Shartack mußte tot sein, sonst wäre ich wohl nicht mehr am Leben. Auch weitere Phyras waren unwahrscheinlich, denn meine Körperwärme hätte jeden von ihnen anlocken müssen, und dann hätten sie mich längst ausgesaugt. Ich hatte also wieder einmal Glück. Jedenfalls bis jetzt. Nun mußte ich mich nur noch durch das Gestein nach oben graben und - warum hatte ich mich eigentlich so sehr gewehrt? Warum wollte ich unbedingt derjenige sein, der hier langsam erstickt und dann in seinem Wahn versucht, den Felsen zu zerkratzen?
Dann jedoch bemerkte ich einen Luftzug. Es muß hier irgendwo ein Luftloch geben. Herrlich, also würde ich verdursten. Obwohl, die Anwesenheit eines Shartack wies auf eine Wasserquelle hin. Vielleicht ist das Angebot hier gar so reichlich, daß ich hier den Rest meines Lebens verbringen könnte und letztlich eines natürlichen Todes sterben würde.
Aber wenigstens wollte ich jetzt endlich wissen, wofür ich hier verrecken würde, dachte ich bei mir und zog den Kristall. Wenn die anderen Kristalle hier waren, so würden sie mit einem schwachen Energieband verbunden sein. Es müßte also möglich sein, dieser Spur zu folgen. Ich nahm den Kristall vor die Augen und sah - nichts. Es war immer noch stockdunkel. Ich schloß die Augen und begann, mich zu konzentrieren. Da war der Kristall. Und da waren auch die kleinen Energiebändchen neun, zehn ... nein! Elf Bändchen. Es waren also zwölf Steine. Langsam bewegte ich mich durch den Raum oder besser die Räume, denn es waren mehrere, wie ich jetzt bemerkte. Während meiner Suche traf ich auch auf den erkalteten Kadaver des Shartack. Aber das interessierte mich nicht mehr. Wie im Wahn ging ich den einzelnen Spuren nach und fand einen Kristall nach dem anderen.
Bei meiner Suche stieß ich auch auf einen unterirdischen Bach, der diesen Kellerraum mit Wasser versorgte. Obwohl ich sehr durstig war, trank ich nichts. Auch einen Kamin entdeckte ich, durch den ich eventuell aus dieser Höhle entkommen konnte, aber auch das ließ bei mir keine Freude aufkommen. Bis ich alle zwölf Steine hatte. Ich fand sogar insgesamt vierzehn Steine, eventuell war hier noch ein zweiter Kristallverbund zu finden. Aber nun wollte ich doch erst einmal hier raus. Ich stärkte mich an dem Wasser und begann, in den Kamin zu steigen. Es war sehr eng, trotzdem versuchte ich mein Glück.

Zuerst war ich sehr gut vorangekommen, aber jetzt schien nichts mehr zu gehen. Die Wand hatte mich so fest umschlossen, das ich weder vorwärts, noch zurück konnte. Alle meine krampfhaften Versuche, mich weiter zu bewegen, scheiterten kläglich an der mich eng umschlungen haltenden Wand.
Über mir schien wieder die Sonne aufzugehen, hatte ich bereits so lange hier unten verbracht? Mein Zeitgefühl hatte mich wohl komplett verlassen. Aber das spielte nun auch keine Rolle mehr, da ich scheinbar die letzten Tage meines bescheidenen Lebens hier verbringen müßte. Wenigstens würde ich den Himmel sehen können, wenn ich sterbe.
Aber war es wirklich schon an der Zeit, aufzugeben. Göröm, du warst in letzter Zeit schon oft in ausweglosen Situationen, und trotzdem bist du noch am Leben. Warum sollte es jetzt geschehen? Ich mußte wieder hinunter in die Höhle. Vielleicht konnten mir die Kristalle helfen. Ja, mit der Kraft der Energiekristalle müßte es mir eventuell möglich sein, mich nach oben durchzugraben. Aber dann müßte ich ihre alte Bestimmung vernichten, ihr Muster verändern. Würde mir das nach meine kurzen Ausbildung überhaupt gelingen? Egal, zuerst mußte ich mich aus dieser felsigen Umklammerung befreien. Irgendwie mußte ich doch loskommen. Noch rührt sich nichts. Das konnte doch nicht sein - Ahhh...

Die Landung auf der ehemaligen Feuerstelle war nicht gerade sanft, aber ich war wieder frei. Zumindest vom Kaminschacht. Mittels einer Metallscheibe gelang es mir sogar, etwas von dem Tageslicht in den Raum zu leiten. Es war nicht viel, aber da meine Augen sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, kam es mir fast normal beleuchtet vor. So breitete ich die 14 Kristalle vor mir aus und wollte beginnen, mir ihre Kraft nutzbar zu machen. Dann jedoch zögerte ich. Was sprach eigentlich dagegen, zuerst einmal zu schauen, wozu dieser Verbund eigentlich bestimmt war.
Sogleich nahm ich die zwölf zusammengehörigen Kristalle und begann, ihre Muster zu lesen. Ich sah zwei Sechsecke mit jeweils sechs Kristallen. Es mußte etwas sehr mächtiges sein, wen die Kristalle in der Form eines Sechsecks verbunden wurden. Mir war es gelungen, den Zeltpalast des Serifen mit nur einem Sechseck für Jahre festen Halt zu garantieren, aber ich war nur ein Leihe. Was würde ein voll ausgebildeter Arandi daraus schaffen. Und was würde er erst erreichen, wenn er zwei Sechsecke miteinander verband. Mit diesen Gedanken platzierte ich die Kristalle um mich herum. Das Muster ergab ein äußeres und einen inneres Sechseck. Danach versuchte ich, die Energie des Musters freizusetzen.
Es passierte nichts. Wieder und wieder versuchte ich einen Weg zu finden, aber es wollte mir nicht gelingen, diesem Muster auch nur die kleinste Reaktion abzuringen. Vielleicht hatte ich die Kristalle falsch angeordnet? Also griff ich einen der äußeren Kristalle, um das Muster nochmals zu überprüfen. Alles war korrekt. Aber dann viel mir auf, das dieser Kristall nicht nur mit den sechs Kristallen aus dem inneren Sechseck und den anderen fünf verbunden war, sondern, es gab noch eine ganze Reihe von Verbindungen. Insgesamt war dieser Kristall mit 12 weiteren verbunden. An diesen mochten sich weitere Verbindungen anschließen.

Sofort begann ich, nach weiteren Kristallen zu suchen. Zweimal mußte ich mich noch zur Ruhe legen, ehe ich insgesamt 30 Kristalle gefunden hatte. In mir kam langsam Sorge auf, was für eine Macht sich wohl hinter diesem Konstrukt verstecken mochte. Trotzdem begann ich, die alten Kristalle mit den neuen zu ergänzen. Auf jeden, der derzeit 12 Kristalle mußte einer gelegt werden. Damit ergab sich ein doppelter Äußerer, wie auch ein doppelter innerer Ring. Die anderen sechs mußten weiter Außen platziert werden.
Dann stellte ich mich erneut in das Sechseck und begann, mich auf das Muster zu konzentrieren. Die Energieströme begannen zu fließen. Ich schien ein Teil des Ganzen zu werden. Das obere, innere Sechseck begann empor zu schweben. Es folgte das obere, äußere Sechseck. Dann die Sechs äußeren Kristalle. Mit dem unteren, äußeren Sechseck wurde auch ich angehoben. Zum Schluß begann auch das letze Sechseck, sich leicht vom Boden abzuheben. Ich fühlte mich in einer Art Energietrichter gebettet. Dann begannen sich die Kristalle zu drehen. Da ich mit gedreht wurde, verlor ich vor Schreck die Kontrolle und stürzte hinab.
Nun hieß es, alle Kristalle wieder zusammen-zusuchen. Obwohl ich mir bewußt war, das ich nicht die volle Kontrolle über dieses ‚was auch immer' erlangt hatte, wollte ich es unbedingt nochmals probieren. Jedoch brauchte ich für den zweiten Versuch mehr Kraft. Deshalb stärkte ich mich ausgiebig und legte mich nochmals schlafen.

Als ich wieder erwachte, konnte ich an nichts anderes denken, als endlich herauszufinden, wofür dieser magische Kristallverbund verwendet wurde. Und um das herauszufinden, mußte ich es nochmals zusammensetzen und dann kontrollieren. Alles verlief, wie beim ersten Mal. Nur dieses mal ließ ich die Augen geschlossen. Nach kurzer Zeit war es mir sogar möglich, meine Drehung aufzufangen. Die Kristalle aber drehten sich immer heftiger und begannen, in diesen Räumen heftigst Staub aufzuwirbeln. Im Zentrum aber blieb alles normal. Plötzlich stürzte die Decke ein, jedoch nicht ein Staubkörnchen erreichte mich. Dieses Muster schien sich durch das Erdreich über uns zu graben. Sollte das die Bestimmung dieser Kristalle sein, das sie jemanden wie mich wieder freigraben, nachdem er verschüttet wurde. Das wäre doch etwas zu verrückt. Ich erreichte die Oberfläche, dann sah ich, was die Kristalle bewirkten. Sie erzeugten einen Wirbelsturm der über das Land zog.
Falsch, den jetzt bewegte er sich mit rasender Geschwindigkeit über den Strand auf das offene Meer hinaus. Nach wenigen Sekunden hatte er bereits die Förde in norliche Richtung verlassen. Während der Tornado nun in estliche Richtung jagte, versuchte ich noch, irgendwie Einfluß zu nehmen, aber das war mir leider nicht möglich. Das Land war inzwischen außer Sichtweite. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als die Kontrolle über das Muster aufrecht zu erhalten, sonst würde ich wohl ertrinken. Wo auch immer die Reise hingehen mochte, es gab irgendwo ein festes Ziel. Jedenfalls hoffte ich das. So versank ich also in Meditation, um meinen Körper in eine Art stasis zu versetzen. Bei meinem derzeitigen Zustand müßte ich so zwei bis drei Wochen ohne Wasser überleben können.

Göröm Üsakür

1 Caswallonische Anrede
2 Qunscher Säbel
3 Fledermausartiges Tier, ernährt sich von Blut, lebt in dunklen Höhlen.
4 Raubtier, 2,5 m lang; 1,6 m hoch (auf zwei Beinen fast 3 m)


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