Qunwappen


Home
Archiv
Am Hofe des Serifen

Der Himmel ist heute recht wolkenverhangen über Konaq, der neuen Hauptstadt der Qunje Esqar, die südwestlich der Stadt Beelis liegt. So etwas sind wir aus der Qunje Bosqir nicht gewohnt. Aber hier in der neuen Heimat ist das Wetter anders. Einige Veränderungen haben jedoch ihr Gutes. Wenn ich da nur an mein junges Leben zurückdenke. Früher war ich noch einfacher Soldat in den qunischen Truppen, dann Gestrandeter auf der Alten Welt , danach Soldat der Legion, einfacher Wanderer auf der Westlichen Welt und dann Händler und Colona-Serif mit Sitz in Beelis und Kunden in Aist, Port Frysia, Nadar Tekir und Rungholt. Es ist schon verblüffend, wozu einem getrockneter Yaqmist verhelfen kann.

Nun jedoch habe ich wohl den höchsten Ast meiner Geschichte erklommen, als Berater des wichtigsten Mannes unseres Volkes. Es ist mir, auch bei solch bescheidenem Wetter, immer wieder eine Freude, den Zeltpalast des Serifen zu betreten. Von außen kann man sich gar nicht vorstellen, daß dieser Palast wirklich nur aus Hölzern und Tuch besteht. So etwas können nur wir Qun errichten. Leider werde ich am Portal wieder einmal sehr argwöhnisch von den Palastwachen beäugt. Auch ihnen ist nicht unbekannt, woher Reichtum und Einfluß in meinem Fall kommen. Dazu kommt noch, das ich überhaupt nicht mehr wie ein Qun aussehe. Die gute Myrtha hat mit Ihrem Zauber damals ganze Arbeit geleistet. Mein Geweih war sehr ausgeprägt und meine Haut hatte einen kräftigen Blauton, aber nachdem ich aus den Fieberträumen erwachte, war dort kein Horn mehr, sondern nur noch ein kleiner schwarzer Fleck. Auf der linken Seite war gar überhaupt nichts mehr zu sehen. Auch meine Hautfarbe ist zu einem blassen Weiß geworden. Es gibt noch viele hier, die meine Identität anzweifeln. Was wäre wohl gewesen, wenn Yürmeli, ein alter Freund unserer Familie, mich nicht wiedererkannt hätte.

Auch das noch, der Ehrengardist der Palastwache. Das paßt ja wieder einmal genau zu meinen gedanklichen Selbstgesprächen. Dazu muß man natürlich wissen, daß er einer der ersten Anwärter auf meinen Platz gewesen wäre. Ich bin mir sicher, daß seine Arroganz nur noch durch seine Dummheit übertroffen wird. Na komm Göröm, du wirst dich doch nicht durch so einen aus der Ruhe bringen lassen. So, nun noch durch diesen Vorhang und schon ist man im Innenhof. Wie wundervoll heute wieder die Kirlinablüten duften, ein Wunder eigentlich, daß sie überhaupt in diesem Klima blühen. Ob wir auch das den Schamaninnen zu verdanken haben? Schade nur, daß der ewige Himmel hier nicht so wundervoll erstrahlt wie in Urqend. Aber viele beten diese ständigen Wolken ja bereits an, da sie auf ihnen hierher kamen. Wolken hin, Wolken her, hier könnte ich es den ganzen Tag aushalten. Leider ruft die Pflicht. Der Serif empfängt heute einige wichtige Gäste. Wie es aussieht, ist es uns gelungen, Ihn davon zu überzeugen, den Schamaninnen um Aquisha eine wichtige Position in der Gesellschaft einzuräumen, da es letzte Nacht bereits eine lange Unterredung der beiden gab.

Wahrscheinlich haben mir die Schamaninnen auch meine Träume gesendet, die mir schon vor geraumer Zeit rieten, hier eine Zeltstadt zu errichten. Nun, da der Serif dieses Geschenk angenommen hat, müssen auch die Regierungsgeschäfte wieder anlaufen. Aber wie üblich läßt sich der Serif wieder mal alle Zeit der Welt.
Schauen wir doch mal, wer sich alles im Saal versammelt hat. Natürlich ist Aquisha erschienen, daneben die berühmte Karawanenführerin Anjuli Thuan Kaira, dort der große Serasker Quivor Maraq, dessen Geschick wir hier in der Westlichen Welt viel zu verdanken haben und die anmutige Allacaya E' Hielian, die den Serifen herführte. Aber wo sind die Qun aus dem Nor, der Qarga und aus der Gegend um Runghold? Sollten sie nicht erscheinen, so wäre das ein Schlag ins Gesicht des Serifen.

Nach der üblichen langen Wartezeit werde ich in den Audienzsaal bestellt. "Sie sind nicht erschienen, oh Göttlicher." Der Serif schweigt, aber aus seinem Gesicht ist zu lesen, daß er diese Entwicklung sehr ernst nimmt.

Es ist an der Zeit, die anderen Gäste nicht länger warten zu lassen. Nachdem alle im großen Saal versammelt sind, wird es still. Man könnte einen Schleier zu Boden fallen hören. Aquisha tritt in die Mitte des Raumes und verkündete, daß die Schamaninnen fortan bereit sind, den Qun, anstelle der Kristallpriester, zu weissagen und die Seelen der toten Qun in den Ewigen Himmel zu geleiten. "So sei es", beschließt der Serif erhaben. Sofort muß ich an meinen Vater denken, der zwar nicht offiziell zu den Schamaninnen gehörte, aber in ihrer Kunst sehr bewandert war. Leider ist es Männern nicht gestattet, den Weg des Schamanismus zu wählen, deshalb mußte er sein Werk im verborgenen verrichten. Er hat meiner Schwester und mir sehr viel beigebracht. Leider starben er und meine Mutter viel zu früh. Die Wege von meiner Schwester und mir trennten sich dann für viele Jahre, bis wir ... Nein, warum muß ich mich gerade jetzt daran erinnern.

Göröm denkt an seine Schwester.
Es ist aber wieder an der Zeit sich zu konzentrieren, der Serif spricht gerade etwas von schlechtem Kartenwerk. Offenbar sucht er nach jemandem, der Ihm eine Karte der neuen Welt erstellen sollte. Wer könnte diese Arbeit besser erledigen, als unsere große Karawanenführerin Anjuli. Also mache ich mich daran, ihm die rechten Worte in den Mund zu legen. Schließlich ist das ja meine Aufgabe. Nach kurzem Zögern nimmt er diese Idee begeistert auf, als wenn es seine eigene gewesen wäre. Anjuli ist bereit, die Herausforderung anzunehmen und verspricht Ihm schon bald, mit gutem Kartenwerk dienen zu können.

Jetzt wäre eigentlich der Empfang der Gäste aus dem Nor auf der Tagesordnung gewesen, aber keiner der Vertreter ist erschienen. Nun heißt es schnell handeln. Gerade will ich dem Serifen zuflüstern: "Großer Serif, ruft doch eine Feier aus, damit sich die Stimmung bessert."
Da kommt Quasar Quer mir zuvor: "Laßet uns mit der Feier beginnen. Heute ist kein Tag für Trübsal. Wir werden in dieser neuen Welt noch einiges bewegen, denn wir sind Qun."
Das Wort des Serifen hat seine Wirkung nicht verfehlt. Jubel bricht aus. Sofort beginnen die Spielmänner Ihre Instrumente zur Hand zu nehmen, Tänzerinnen fluten in den Saal und die Qunmilch fließt in Strömen.



Göröm Üsakür

zurück


© 2000 by Göröm Üsakür vom Volk der Qun